Neue Perspektive auf Aufarbeitung?
Verantortungsträgerinnen der Kirchen im Gespräch
Drei Frauen, die in wichtigen Führungspositionen der katholischen und evangelischen Kirche Verantwortung tragen, diskutierten im fünften Kamingespräch des IPA (Institut für Prävention und Aufarbeitung) den Stand der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in den beiden Kirchen.
Dr. Beate Gilles (Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz), Dr. Irme Stetter-Karp (Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken) und Bischöfin Kirsten Fehrs (stellvertretende EKD Ratsvorsitzende) tauschten sich darüber aus und stimmten überwiegend zu, dass eine gesellschaftlich breit angelegte Dunkelfeldstudie zu sexualisierter Gewalt in Familien, Vereinen und Kirche die Situation erheblich verbessern würde.
Doch so sehr einzelne staatliche Vertreter:innen eine staatliche Aufarbeitung forderten, so sehr erlebe sie, dass beide, Kirche und Staat, sich dann bei konkreten Maßnahmen zögerlich verhielten, sagte Irme Stetter-Karp. Sie habe kein Vertrauen mehr, dass die katholische Kirche die Aufarbeitung alleine leisten kann. Die Kirche brauche den Staat im Wächteramt.
Auch die evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs betonte, dass der Staat eine Mitverantwortung bei der Aufarbeitung habe. Sie stellte das neue Partizipationsmodell der EKD für die Einbindung Betroffener vor. Mit dem Beteiligungsforum sollen auf allen Ebenen Betroffene mitentscheiden. Jedoch bedeute Beteiligung, dass es Zeit brauche.
Dr. Beate Gilles betonte die Aufarbeitung bleibe eine riesige Aufgabe für die Deutsche Bischofskonferenz. Es gäbe da kein Ende. Sie wies darauf hin, dass Präventionsmaßnahmen stetig fortentwickelt werden müssen.
Die Teilnehmerinnen stimmten überein, dass Frauen und Männer unterschiedlich mit Macht umgingen. Frauen könnten einen sensibleren Blick auf die Verletzbarkeit von Menschen haben. Es gelte jetzt auch in den Kirchen den geistlichen Missbrauch genauer ins Auge zu fassen.
Die Leiterin des IPA, Mary Hallay-Witte, zeigte sich erfreut über den weiterführenden und hochqualitativen Diskurs. Sie kündigte weitere Kamingespräche des IPA an.
Das Gespräch wurde moderiert von der Journalistin Iris Toussaint.