Kamingespräch sexualisierte Gewalt im Sport

Im siebten Kamingespräch des IPA sprachen Prof.‘in Dr. Bettina Rulofs (Deutsche Sporthochschule Köln) und Maximilian Klein (Athleten Deutschland e.V.) unter der Moderation der Journalistin Iris Toussaint über sexualisierte Gewalt im Sport.

Screenshot aus dem Kamingespräch über sexualisierte Gewalt im Sport.
v. l. n. r. Mary Hallay-Witte, Prof.'in Dr. Bettina Rulofs, Iris Toussaint, Maximilian Klein

Einleitend wurde der Sport als Tatkontext und seine Spezifika von den Gästen in den Blick genommen. Es ging um die strukturellen Faktoren, die sexualisierte Gewalt begünstigen. Professorin Rulofs gab hierzu Einblicke in ihre Forschung. Sie sprach über Machtgefälle zwischen Trainer:innen und Sportler:innen. Weiter benannte sie die offenen Strukturen, die Täter:innen den Zugang zu Kindern und Jugendlichen erleichtern. Darüber hinaus trägt auch die Idealisierung des Ehrenamts im Breitensport dazu bei, dass sexualisierte Gewalt nicht gesehen wird. 

Maximilian Klein ergänzte für den Leistungssport, dass die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in geschlossenen Systemen wie Internaten oder auf Sportreisen zu Abschirmung und Isolation führen kann, welche wiederum einen Risikofaktor darstellt. Zudem verstärkt die frühe biografische Fokussierung auf Erfolg das Risiko für Machtgefälle und Abhängigkeiten. Im organisierten Sport besteht teilweise eine Kultur des Wegsehens. Interessenkonflikte oder falsch verstandene Loyalitäten führen dazu, dass Meldungen versanden oder ihnen nicht nachgegangen wird.  

Im Verlauf des Gesprächs wurde Bilanz über den gegenwärtigen Stand sowie bestehende Herausforderungen hinsichtlich der Prävention, Intervention und Aufarbeitung im Sport gezogen. Deutlich wurde, dass es regional und zwischen verschiedenen Sportarten große Unterschiede gibt. Die Situation könne mit einem Flickenteppich beschrieben werden. Maximilian Klein stellte fest:

Es kann nicht sein, dass das Schutzniveau von Sportart und Region abhängt. Es kann nicht sein, dass dieser Flickenteppich in Deutschland so hingenommen wird.

Es bedarf mehr Einheitlichkeit und Klarheit im Vorgehen. Dafür müssen verbindliche Standards für Prävention und Aufarbeitung entwickelt werden. Diese müssen dann regelmäßigem Monitoring und fundierter Evaluation unterzogen werden, forderten die Gäste. Entsprechende Anforderungen müssen von einer unabhängigen Stelle verantwortet und koordiniert werden.

Hinsichtlich der aktuellen sportpolitischen Entwicklungen im Bereich sexualisierte Gewalt diskutierten Rulofs und Klein über die Idee eines Safe-Sport-Codes. Dieser kann mit dem bereits etablierten Anti-Doping-Code verglichen werden. Ziel ist es, einen verbindlichen Rechtsrahmen für den Umgang mit sexualisierter Gewalt zu schaffen, dem sich die Verbände unterwerfen müssen. Als einen weiteren Meilenstein nannten die Gäste das im Aufbau befindende Center for Safe Sport: Eine zentrale Stelle für Prävention, Intervention und Aufarbeitung im Sport. Diese soll lenken, koordinieren und Verantwortung übernehmen. Hierbei wurde die Unabhängigkeit betont:

Wir brauchen einen Ort, ein Expert:innengremium, wo Aufarbeitung professionell und unabhängig von den Verbänden stattfinden kann.

Eine zentrale Erkenntnis des Austauschs war, dass es hinsichtlich Prävention und Aufarbeitung deutliche Parallelen zu anderen Kontexten wie etwa der Kirche gibt. Die Gäste betonten die Chance, von den bisherigen Erfahrungen lernen zu können und dadurch Fehler zu vermeiden. Auch Mary Hallay-Witte, Leiterin des IPA, bekräftigte die Bedeutung des gegenseitigen Erfahrungsaustausches. Es gibt viel, was die unterschiedlichen Kontexte voneinander lernen können. So kann der Schutz von Kindern und Jugendlichen gesamtgesellschaftlich vorangebracht werden.